Geschützt: Theater Ravensburg
12. Juli 2023»Instrument für mehr Publikum«
– Reinhard Hühne, Technischer Direktor des Aalto-Theaters in Essen, über die Erfassung der raumlufttechnischen(RLT)-Anlagen
Reinhard Hühne im Zuschauersaal des Aalto-Theaters:
Aus den Schlitzen in den Rückenlehnen kommt Frischluft.
Foto: (c) TUP
INTERVIEW BÜHNENTECHNISCHE RUNDSCHAU (BTR) FEBRUAR 2021 – MIT REINHARD HÜHNE, TECHNISCHER DIREKTOR DES AALTO-THEATERS IN ESSEN, ÜBER DIE ERFASSUNG DER RAUMLUFTTECHNISCHEN(RLT)-ANLAGEN:
BTR: Herr Hühne, die Theater und Philharmonie GmbH in Essen war eines der ersten Häuser, das sich sofort für die Testphase des Forschungsprojekts bereit erklärt hat. Wie kam es dazu?
Reinhard Hühne: In den internen Gesprächsrunden unseres Hauses wurde immer wieder über Möglichkeiten diskutiert, wie dem Publikum zu beweisen ist, dass die Lüftungssituation im Aalto-Theater derart gut aufgestellt ist, dass es in der Coronazeit gesünder wäre, ins Theater zu kommen, als sich anderswo aufzuhalten. Die Chance einer technisch-wissenschaftlichen Untersuchung gibt uns die Hoffnung, ein Instrument an der Hand zu haben, um schlussendlich mehr Publikum ins Haus lassen zu dürfen als ohne diesen Nachweis.
BTR: Wenn man von solchen Ermittlungen erfährt, was denkt man zuerst?
Reinhard Hühne: Uff – noch eine Untersuchung! Wie lassen sich die so unterschiedlichen Bedingungen einer Lüftungsanlage, von architektonischen Gegebenheiten, Raumvolumen, Luftrichtung etc. der verschiedensten Veranstaltungshäuser so genau erfassen und verständlich darstellen, dass es zu einer großen Zuschauerakzeptanz kommt?
BTR: Wie schwierig war die Ermittlung der Daten?
Reinhard Hühne: Aus unserer guten Anlagendokumentationen und dem Spezialwissen der fest angestellten Betriebstechniker konnten die notwendigen Werte recht schnell herausgefunden werden. Dennoch war bei den Betriebsräumen durchaus einige Handarbeit notwendig.
BTR: Konnten Rückfragen vom Team gut geklärt werden?
Reinhard Hühne: Schnell und sachbezogen – sehr angenehm! In den ersten Erfassungstagen vor Weihnachten 2020 konnten wir sogar noch Einfluss auf die Eingabefelder nehmen, was der Genauigkeit für alle Häuser zugutekommen sollte.
BTR: Von Theatermenschen für die Theatermenschen – ist die Bearbeitung durch die DTHG niedrigschwelliger?
Reinhard Hühne: Nein, keinesfalls. Das Augenmerk liegt wesentlich dichter an unseren Bedürfnissen und Ansprüchen. Wir benötigen die sehr engmaschigen Betrachtungen der einzelnen Anlagen und keine globalen Aussagen großer Analysen und Forschungsarbeiten, in denen wir uns nicht wiederfinden.
BTR: Sollten Verbände in solchen Feldern stärker in Erscheinung treten?
Reinhard Hühne: Ja, sehr gerne. Die Betriebstechnik nimmt besonders aufgrund der vielen Sondervorschriften (leider) einen immer größeren Stellenwert in den Kulturbauten ein. Eine durch die DTHG begleitete Sichtweise auf die Anlagen bringt uns weiter, als fachfremde Firmen zu befragen.
BTR: Was verspricht sich die Theater und Philharmonie GmbH davon?
Reinhard Hühne: Als verantwortlich handelnder Techniker wünsche ich mir belastbare Argumente, welche RLT-Anlagen Veränderungen bedürfen, um in den entsprechenden Räumen die hygienischen Mindestanforderungen exakter erfüllen und nachweisen zu können. Das Zertifikat sollte uns in die Lage versetzen, mehr Publikum in die Säle zu lassen als ohne dieses Instrument.
BTR: Welche konkreten Maßnahmen zur Wiedereröffnung würden Sie anregen wollen, zum Beispiel hinsichtlich Schnittmengen zwischen Hygienekonzept und RLT-Technik?
Reinhard Hühne: Das Publikum muss aufgeklärt werden, welche guten Bedingungen sie in den Zuschauersälen und Foyers vorfinden. Hier wird die Pressearbeit noch sehr wichtig. Zukünftig wünschte ich mir eine stärkere Berücksichtigung der RLT-Anlagen im Sinne der Raumluftqualität und das Verständnis für den zugehörigen technisch und finanziellen Aufwand. Die RLT-Anlagen sind ein Instrument des Wohlbefindens der Zuschauer, dessen richtige Nutzung sehr oft aus Kostengründen nicht oder nur in niedrigerer Qualität möglich ist.
Der Gesetzgeber muss die Ergebnisse der Untersuchung genauso in seinen Auflagen und Verordnungen widerspiegeln. Dann wären notwendige Maßnahmen verankert, um Lüftungsanlagen so zu modernisieren, dass uns auch zukünftige hygienische Belastungen der Luftqualität nicht mehr zum Schließen der Häuser zwingen und der Kunde gerne und öfter unsere Kulturbauten besucht.
Aalto Theater
Foto: (c) Thomas Schwoerer
Das von dem finnischen Architekten Alvar Aalto entworfene Aalto-Theater mit seinen 1.125 Plätzen beheimatet nicht nur das Aalto-Musiktheater, das Aalto Ballett Essen und die Essener Philharmoniker, es ist auch eine architektonische Sehenswürdigkeit.
Alvar Aalto, der wie Gropius, Mies van der Rohe oder Le Corbusier zu den bedeutendsten Repräsentant*innen der Architektur im 20. Jahrhundert zählt, hat hier sein Konzept der „Humanen Architektur“ – deren oberstes Ziel das Wohlbefinden der Menschen innerhalb der Gebäude ist – konsequent vom Grundriss bis zum Portal verwirklicht. Von der FAZ als „vielleicht schönster deutscher Theaterbau nach 1945“ bezeichnet, vereint das Haus vollkommene Ästhetik mit hohem Nutzwert.
Mit seinen organisch fließenden Grundformen und seiner hellen Granitverkleidung erinnert das Aalto-Theater an nordische Landschaften. Die geschwungenen Sitzreihen vor der Bühne und die asymmetrische Form des Auditoriums lehnte der Architekt an das antike Theater in Delphi an. Eine Besonderheit ist der fehlende Bühnenturm: Das Bühnenhaus ist in die Gesamtform des Baukörpers integriert.
Bereits 1959 gewann Aalto den Architekt*innenwettbewerb für den Neubau. Bis zur Realisierung seiner Pläne sollten fast 30 Jahre vergehen, in denen sich Diskussionen über den geplanten Bau, Zweifel an der Realisierbarkeit und neue Anläufe zur Verwirklichung abwechselten. Die Eröffnung 1988 erlebte Alvar Aalto nicht mehr, er starb 1976. Die Verzögerungen hatten immerhin ein Gutes: Als Architektur längst der klassischen Moderne zuzurechnen, erfüllt das Aalto-Theater auch im Hinblick auf Gebäude und Bühnentechnik sowie Energieeffizienz modernste Ansprüche.
Das Aalto-Musiktheater gilt als eines der besten Opernhäuser im deutschsprachigen Raum. Mit der Spielzeit 2013/14 übernahm Hein Mulders die Intendanzen des Aalto-Musiktheaters, der Essener Philharmoniker und der Philharmonie Essen. Im selben Jahr begann Generalmusikdirektor Tomáš Netopil seine Arbeit. Das Aalto Ballett Essen wird seit 2008 von Ballettintendant Ben Van Cauwenbergh geführt.
Titelbild: Aalto Theater nachts, Foto: (c) Thomas Schwoerer
Das Aalto-Theater im Netz:
Webseite | Digitaler Rundgang